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Woche 5: 30. Oktober - 05. November 2000

Parken in Afrika

Diese Woche startet die Website eines Kunden von Hyperactive im Internet. Aus diesem Anlaß gibt es eine Präsentation in einer Kneipe in Tamberskloof namens Cool Runnings. Rasta und Reggae beschreiben den Stil wohl am besten. Der Kunde ist "Streetwires" ein junges Startup-Unternehmen, daß die aus Draht gebastelten Souvenirs wie Instrumente, Automodelle oder Kerzenständer herstellt und vertreibt, die man überall auf den Straßenmärkten und in den Souvenirshops findet. Das Highlight im Sortiment ist ein aus Draht gebautes, voll funktionsfähiges Radio, das nun international vertrieben werden soll. Sogar der Fernsehsender e-TV hat ein Team geschickt, das die Hyperactive Chefin interviewt. Leider sind jedoch die Kollegen von der schreibenden Zunft hoffnungslos verspätet. Als nach 1,5 Stunden immer noch nichts passiert, beschließt mein Lift, nicht länger zu warten und wir fahren wieder. Schade eigentlich.

Am Mittwoch gehe ich nach der Arbeit mit ein paar Kollegen um die Ecke in der Long Street Billard spielen. Da dieses Spiel ja mit zahlreichen, wenn auch recht kleinen, Bällen zu tun hat, bin ich natürlich naturgemäß völlig unbegabt. So schlimm wie erwartet wird es dann aber gar nicht, und in einem Doppel gewinnen wir sogar eine Partie, was aber sicherlich nicht mein Verdienst ist.

Donnerstag treffen sich die Scouts von Claremont, die, die dann doch nicht beim Joti mitmachen wollten. Ich habe meinen Besuch angekündigt und wäre auch fast pünktlich gewesen, wenn ich doch nur die Scout Hall gefunden hätte. Wie beruhigend, daß sich die Kapstädter selber auch nicht auskennen. Wo immer ich auch nach der gesuchten Straße gefragt habe, man hat mich immer voller Überzeugung in die völlig falsche Richtung gewiesen. Kurz bevor ich aufgeben wollte, habe ich es dann per Zufall doch noch gefunden. Wie es sich für eine Scout-Group in einem weißen Vorort gehört, hat sie natürlich ihre eigene Scout-Hall. Allerdings eine ziemlich alte. Immerhin ist die 1st Claremont Scout Group schon 1908 als die erste in Südafrika und wohl auch einer der ersten außerhalb Englands gegründet worden. Ich platze mitten in die First Aid Übungen herein. Die Pfadis sitzen in Grüppchen jeweils um ein Opfer mit einem gebrochenen Bein und haben die Aufgabe, es mit einigen Stöcken und Seilen zu schienen. So wie die miteinander umgingen, war es eigentlich nur ein glücklicher Zufall, daß die Beine anschließend nicht wirklich gebrochen waren. Anschließend werden noch ein paar Spiele gespielt. Auffällig ist, daß hier sehr intensiv in festen Kleingruppen, sogenannten Patrols, gearbeitet wird, die alles als Wettbewerb untereinander auffassen. Auch das Wechselspiel zwischen chaotischem Rumtoben und fast militärischem Drill überrascht einen deutschen Pfadfinder wie mich dann doch etwas. Der Leiter, der heute alleine da ist, Ian Webb, versucht zwar, eine etwas lockerere und kooperative Richtung einzuschlagen, stößt dabei aber wohl auf Widerstand bei seinen Mitleitern, die heute aber nicht da sind. Ian ist erst vor kurzem aus der Schweiz zurückgekommen, wo er für ein halbes Jahr in den Scout-Headquarters gearbeitet hat. In einer Hinsicht sind die 1st Claremont Scouts aber ziemlich fortschrittlich. Hier sind in einer Gruppe schwarze wie weiße und Jungen wie Mädchen zusammen aktiv.

Das Wochenende gehe ich diesmal recht ruhig an. Am Samstag wird erst mal ausgeschlafen. Gegen Nachmittag beschließen Andy, der auch im Backpackers wohnt, und ich spontan, nach Franschhoek zu fahren. Habe ich Andy eigentlich schon vorgestellt? Also hier noch mal in aller Kürze: Geboren und bis zum 12 Lebensjahr aufgewachsen in Kenia, dann in England, 12 Jahre USA, seit einigen Jahren in Südafrika, Computer- und Netzspezialist und freischaffend tätig. Als Alter gibt er immer 47 an, was aber wohl einfach so aus der Luft gegriffen ist. Wir fahren über die N2 aus Kapstadt heraus über den Sir Lowry's Pass, der einen atemberaubenden Blick auf Kapstadt und die False Bay bietet. Bei Grabouw geht es links ab und durch die Berge entlang dem Hottentots-Hollands Nature Reserve. Eine wunderschöne Strecke mit tollen Aussichtspunkten über gründe Täler und Stauseen. Besonders beeindruckend ist dann schließlich der Ausblick auf das Tal um Franschhoek vom Franschhoek Pass, mit dem kleinen Ort in der Mitte und den zahlreichen Weinfarmen drumherum. Franshhoek ist nach Kapstadt und Stellenbosch 1688 die dritte von Europäern errichtete Ansiedlung in Südafrika gewesen. Es waren französische Hugenotten, die sich hier niederließen, nachdem sie wegen religiöser Verfolgung aus Frankreich fliehen mußten. Für die Holländisch Ostindische Handelskompanie waren die Hugenotten willkommene Arbeitskräfte und vor allem erhoffte man sich von ihnen eins: Wein. So ist Fransschoek heute neben Stellenbosch und Paarl auch eines der wichtigen Anbaugebiete des mittlerweile weltberühmten Südafrikanischen Weines. Leider haben wir heute aber nicht die Gelegenheit, diesen auch zu testen, da die Weingüter mit ihren wunderbaren kapholländischen Farmhäusern schon alle geschlossen haben. Statt dessen bilden wir uns im örtlichen Hugenotten-Museum weiter, das durchaus empfehlenswert ist. Man erfährt vieles über die religiösen Verfolgungen in Europa, die Besiedlung Südafrikas durch die Europäer, die kapholländische Architektur und auch über die KhoiKhoi und San, die ersten Bewohner dieser Region. Der Eintritt zum Hugenotten Denkmal in Höhe von 3 Rand lohnt sich eigentlich nur, um dem Wächter eine Freude zu machen. Eigentlich kann man es genauso gut von der Straße aus sehen. Dafür nimmt der gute Mann seine Aufgabe aber sehr ernst und erklärt uns noch, wie wir am besten die 30 Meter zum Monument gehen um auch alles des Parks zu sehen, der kaum so groß wie ein Fußballfeld ist. Erwähnenswert sind vielleicht noch die Riesenproteen, die es hier zu bestaunen gibt. Nach diesen kulturellen Höhepunkten, wollen wir uns dann ums leibliche Wohl kümmern. Andy kennt ein tolles Pan-Cake Restaurant, das wir ansteuern. Leider ist man da aber nicht sonderlich geschäftstüchtig und erklärt und man hätte gerade die letzten Bestellungen aufgenommen und würde gleich schließen. Es ist 17:15 Uhr. Also lassen wir uns was anderes empfehlen und landen so im "The laughing Trout", auch durchaus empfehlenswert. Auf dem Rückweg fahren wir noch durch Stellebosch, auch einer Weinhochburg und außerdem Universitätsstadt und um ein Vielfaches größer aus Franschhoek.

Sonntag Morgen gehe ich mit Andy über den Markt in Green Point. Da Andy in Kenia aufgewachsen ist und viel durch Afrika gereist ist, kennt er sich recht gut aus und kann sich mit den Händlern zum Teil auf Suaheli unterhalten. Wir erfahren einiges über die Bedeutung der zahlreichen Masken, die hier verkauft werden und ich lerne die Regeln des in ganz Afrika bekannten Perlen-Spieles. Viele der hier verkaufen Masken sind echte Ahnenmasken aus Westafrika. Sie werde dort in den Dörfern massenhaft gestohlen oder auch von Familien verkauft, die zum Islam übertreten und damit keine Verwendung mehr dafür haben. Die meisten billigeren Holzschnitzereien stammen in der Regel aus Sambia oder Mozambique. Tatsächlich in Südafrika hergestellt wird vor allem die sogenannte Township-Kunst, kunstvolle Objekte wie Autos, Instrumente, Schachteln usw. die aus dem Blech alter Coladosen, Kronkorken und Draht gebastelt werden.

Nachmittags fahre ich zum kürzlich eröffneten Canal-Walk in Century City. Century City ist ein neuer überdimensionaler Büro-, Einkaufs- und Erlebnispark, der im Norden Kapstadts entsteht. Der Canal-Walk ist die größte Shopping Mall Südafrikas, ein riesiger und prunkvoller Konsumtempel, in dem allerdings noch zahlreiche Läden leer stehen. Bleibt nur zu hoffen, daß es dem Canal Walk nicht genauso ergeht, wie dem benachbarten Freizeitpark Ratanga Junction, der zwei Jahre nach seiner Eröffnung so gut wie pleite ist. Hier kann man wohl so ziemlich alles kaufen und auch für das leibliche Wohl ist durch zahlreiche Restaurants, Cafés und Fast-Food Läden gesorgt. Den Namen Canal Walk verdankt die Mall uebrigens einem eher unbedeutenden künstlich angelegten Kanal, der außen an einer Seite der Mall vorbeiläuft und auf dem sich ein paar Besucher die Beine in Tretbooten vertreten. Besonders imponiert hat mir das Parksystem. Wie für deutsche Parkhäuser üblich, gibt es hier an der Einfahrt Schranken, an denen man sich ein Ticket zieht, das man später am Automaten bezahlt. Für Südafrika scheint dieses System allerdings noch recht neu zu sein. Jedenfalls stehen an den Schranken an der Einfahrt nette Menschen, die einem das Ticket aus dem Schlitz in die Hand geben, erklären, wo man es später bezahlen muß und schließlich noch ein Informationsblatt durchs Fenster reichen, auf dem all das auch noch mal in Text und Bild erklärt wird. An den Kassenautomaten stehen dann auch noch mal einige nette Damen, die einem deren Bedienung näherbringen. An meinem Ausgang zeigt natürlich einer von zwei Automaten 3 Tage nach der Eröffnung schon "Außer Betrieb" (auf Deutsch!) im Display an. Erreicht man schließlich die Schranke an der Ausfahrt, stehen dort schon wieder Hilfskräfte, die einen dabei unterstützen, das Ticket in den Schlitz zu schieben, den weiteren Weg erklären (es gibt nur eine Möglichkeit) und Gute Fahrt wünschen. Wahnsinn, Südafrika beweist also endlich, daß der Einsatz von Automaten nicht immer zu Arbeitsplatzabbau führen muß (zumindest nicht, bis alle kapiert haben wie's funktioniert).