Franks 6 Monate in Kapstadt
Woche 6: 06. - 12. November 2000

Löwen am Western Cape?


Am Dienstag machen Verana und ich den zweiten Versuch, den Pub "Firemans Arm" zu finden. Diesmal nehmen wir Andy mit, der zum Glück weiß, wo der Pub ist. Firemans Arm liegt an der Ecke Mechau Street / Buitengragt und ist vor allem ein beliebter Luch-Pub, berühmt für seine guten und preiswerten Gerichte. Nun sind wir aber abends da und deshalb fast die einzigen Gäste. Dennoch ist der Kellner sehr bemüht, uns von der hohen Qualität des Essens hier zu überzeugen, weshalb wir uns dann zu einigen Pizzabroten durchringen. Diese schmeckten dann auch sehr überzeugend, so daß dies sicherlich nicht unser letzter Besuch war. Einen weiteren Grund für einen erneuten Besuch stellt auch das gute Bier da, das ganz in der Nähre in der Mitchells Brauerei in der Waterfront gebraut wird. Es ist um Klassen besser, als die allgegenwärtigen Biermarken der marktbeherrschenden SAB (Castle, Lions, ... 94% Marktanteil in SA). Es gibt hier übrigens auch Holsten und eine bayrische Biermarke, deren Name mir jetzt aber nicht mehr einfällt. So gegen 23:00 Uhr sind wir dann tatsächlich die einzigen Gäste und 5 Mitarbeiter freuen sich, daß wir endlich gehen und sie Feierabend machen können.

Am Donnerstag sitze ich in einem Meeting von Hyperactive und einigen Vertretern des Magazins Men's Health South Africa, für die Hyperactive die Website betreut. Es geht um ein Neues Layout für die Website. Ich erarbeite gerade einige Ideen für eine Virtual Community für Men's Health und Sports Illustrated, die beide vom gleichen Verlag herausgegeben werden. Daher ist es ganz interessant, mal mitzubekommen, wie die Leute so ticken. Man merkt sofort, daß sie aus der Print-Branche kommen und das Wesen des World Wide Web noch nicht so ganz erfaßt haben. Wird sicherlich nicht einfach, sie von dem Gedanken einer Virtual Community zu überzeugen, aber mein Chef will denen unbedingt so was aufschwatzen.

Schon seit einigen Tagen ist es hier so richtig heiß. Deshalb teste ich heute nach Feierabend endlich mal den Swimming Pool im Backpackers. Ist zwar etwas klein geraten, dafür hat das Wasser aber die richtige Temperatur, nicht zu kalt, aber trotzdem herrlich erfrischend. Hättet ihr wohl auch gerne, was? - ach nee, bei euch ist es ja gerade gar nicht so warm. Abends gehe ich dann noch mit Dirk aus Frankfurt in Sea Point eine Pizza essen. Dirk ist heute angekommen und wird morgen weiter in Richtung Transkei reisen, wo er vor einigen Jahren in einem Entwicklungshilfeprojekt seinen Zivildienst abgeleistet hat. Ein guter Freund von ihm, der dort lebt ist übrigens Bürgermeister in einem kleinen Dorf, Schuldirektor und ... genau, natürlich auch Pfadfinderleiter.

Am Freitag findet in Camps Bay die Verleihung der "Stone Awards" statt, ein Preis für Film-, Fernseh- und Multimedia-Produktionen, der von der NTVA, einem Nationalen Film- und Fernsehverband, vergeben wird. Hyperactive hat natürlich auch einige Werke eingereicht und so sind wir natürlich alle gespannt. "Formal Dress" ist angesagt, da kann ich natürlich nicht ganz folgen. Meine Krawatten habe ich in Deutschland gelassen und auch für ein Sakko war kein Platz im Koffer. Letzteres leihe ich mir von Andy, Hemd habe ich selber und die Krawatte laß ich halt weg. Naja, die Schuhe passen zwar auch nicht wirklich, aber schließlich bin ich ja auch nur der kleine Praktikant. So sehr falle ich dann eigentlich auch gar nicht aus dem Rahmen. Der Abend wird mit einer kleinen Comedy-Einlage eröffnet, die zum Schluß aber alles andere als komisch wird. In Form eines kleinen Puppentheaters unterhalten sich eine schwarze Blumenverkäuferin und George W. Busch vor der Kulisse Kapstadts über das aktuelle Geschehen in ihren Ländern. Schließlich tritt noch eine Figur auf, die einen Sonder-Stone Award für das Beste Amateurvideo an eine Südafrikanische Polizeieinheit vergibt. Der zuständige Constable könne aber leider nicht anwesend sein, da er nicht auf Bewährung freigelassen wurde. Schließlich taucht er aber doch noch auf mit einer schwarzem Puppe im Schlepptau und dem Hinweis, daß der noch einige Mozambikaner nach Hause schicken muß. Hintergrund: Vor ein paar Tagen ist im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ein Video aufgetaucht, das einige weiße Polizisten aufgenommen haben, während sie ihre Polizeihunde an bereits verhafteten illegalen Einwanderern aus Mosambique trainiert haben. Sie haben die aggressiven Hunde auf die völlig ungeschützten Menschen gehetzt. Anschließend wurden dann die zerfleischten Körper wie eine Trophäe im Detail abgefilmt. Auf einer Party wurde das Video dann Freunden vorgespielt, von denen einer dann glücklicherweise Anzeige erstattet hat. Die "humoristische" Aufbereitung dieser Greueltat kann man wohl nur als krank und geschmacklos bezeichnen. Um so schlimmer, daß es tatsächlich auch noch einige wenige verirrte gab, die darüber lachen konnten. Was gab es sonst noch? Ausgezeichnetes aber etwas knapp gehaltenes Essen, 4 Bronze-Awards für Hyperactive und eine Moderatorin, die wohl so etwas wie eine Südafrikanische Ausgabe von Verona Feldbusch war und unglaublichen Blödsinn gelabert hat. Alles in allem aber ein ganz gelungener Abend. Netterweise hat Johann aus dem Backpackers darauf bestanden, mich anschließend abzuholen. Ein Taxi wäre auch nicht ganz billig gewesen.

Samstag geht es dann auf die Weinroute, gemeinsam mit Ian, dem Pfadileiter aus Claremont, seiner Freundin Carol, ihrer Schwester Debbie und einer Bekannten aus der Schweiz, namens Erna, die gerade für 3 Monate einen Sprachaufenthalt in Kapstadt macht. Zunächst geht es in die Gegend um Paarl. Das erste Weingut, das wir besuchen ist "Landskroon". Es ist relativ klein, exportiert aber in zahlreiche Länder in Amerika, Europa und Asien. Gerade einen Tag zuvor ist es vom Dinners Club für seinen Portwein ausgezeichnet worden. Wir testen einige Weißweine und entschließen und auch gleich zum Kauf einiger Flaschen. Die Weine, die man direkt auf den Weingütern erhält sind meist wesentlich billiger als die gleichen Weine im Supermarkt in Kapstadt. Unser nächste Stopp ist auf dem Weingut "Fairview", das weniger für seine Weine berühmt ist als für seinen Käse. Hier finden wir auch den berühmten Ziegenturm, mit seiner Wendeltreppe, der in so vielen Reiseführern abgebildet ist. Neben den Ziegen findet sich auch noch der ein oder andere Pfau. Da hier ziemlich viel Betrieb ist verzichten wir auf die Weinprobe, kaufen aber dafür jede Menge Käse ein.

Auf dem Weg nach Stellenbosch sehen wir plötzlich den Hinweis auf eine Löwenfarm auf einer Halle einer Hühnerfarm gepinselt. Da Debbie als Südafrikanerin noch nie im Leben Löwen gesehen hat und deshalb demnächst extra noch mal in den Krüger-Park will, schauen wir uns die Sache mal näher an. Vielleicht kann sie ihre Buchung ja noch rückgängig machen. Am Eingang kommt uns aber schon ein enttäuschter Besucher entgegen, der meint, daß das Gehege seine 25 Rand wohl nicht wert sei, da die Löwen sich irgendwo versteckt hielten und nicht zu sehen seien. Kein Wunder, daß die von drinnen nicht zu sehen sind, liegen doch 4 riesige Löwenmännchen direkt am Zaun zur Außenwelt und sind kostenlos zu bestaunen. Völlig unbeeindruckt von den Zuschauern starren sie alle in die gleiche Richtung irgendwo ins Nirgendwo. Nur wenige Meter weiter kann man in ein weiteres Gehege sehen, in dem sich 3 Geparden die Zeit vertreiben. Lebendig werden die Löwen erst, als für die Geparden die tägliche Fütterung beginnt. Jeder bekommt ein Hühnchen, wahrscheinlich frisch von der Farm nebenan. Die Löwen bekommen nur drei mal die Woche insgesamt etwa 6 - 8 Hähnchen. Am Wochenende gibt es nichts. Kein Wunder, daß sie da etwas neidisch reagieren und nervös auf und ab laufen. Wie sich da wohl das Pferd fühlen mag, dessen Wiese sich genau zwischen den beiden Gehegen befindet? Die Löwen, so versichert man uns, sind allesamt ehemalige Zirkus-Tiere, und damit hier natürlich wesenlich besser aufgehoben.

In Weingebiet um Stellenbosch versuchen wir unser Glück dann auf dem Weingut Dellheim, das schon etwas größer und auch kommerzieller ist. Am Eingang erwirbt man für 10 Rand ein Weinglas, das man behalten darf und 5 Coupons für die Weinprobe, zu der man sich in einen kühlen Keller begeben kann. Die deutschen Wurzeln dieses Weingutes erkennt man vor allem am Markennamen eines hier hergestellten Weines: Spatzendreck. Außerdem gibt es hier auch Glühwein zu kaufen, nicht aber zur Verkostung. Gut und zu vernünftigen Preisen essen kann man hier auch. Zu trinken gibt es im Restaurant aber außer Wein nur Wasser und Traubensaft.

Schließlich schauen wir uns noch ein wenig die Stadt Stellenbosch an. Stellenbosch ist nach Kapstadt die zweitälteste von Europäern gegründete Stadt Südafrikas. Heute leben hier ca. 40.000 Menschen, davon ca. 13.000 Studenten der Afrikaaner-Universität. Im Stadtkern sind die Straßen von alten kapholländischen Häusern gesäumt, die heute zum großen Teil unter Denkmalschutz stehen. Im Dorp-Museum, das aus 5 historischen Gebäuden besteht, die alle mit ihrer historischen Einrichtung erhalten bzw. wieder eingerichtet sind, kann man sich ein gutes Bild vom Wandel der Zeit machen, auch wenn man manchmal fast im Muff alter Zeiten zu ersticken droht, vor allem im Haus von O. M. Bergh von 1850 mit seinen kitschigen Stofftapeten. Auf keinen Fall verpassen darf man Oom Samie Se Winkel in der Dorp Street. In dem über 100 Jahre alten verwinkelten viktorianschen Laden gibt es so ziemlich alles, was man sich vorstellen oder auch nicht vorstellen kann: Duzenden Salzsorten, Rhoibos-Tee und andere Rhoibos-Produkte, Krokodilpastete in Dosen, Kräuter und Gewürze, Buecher, Schallplatten, Wein in allen erdenklichen Flaschen, Antiquitäten, Kleidung, afrikansiche Masken und andere Holzschnitzereien, historische Drucke ...

Sonntag wollte ich eigentlich mit Errol zu einer Kirche in Guguletu und anschließend zur Kaphalbinsel. Dummerweise ist Errol aber was dazwischen gekommen. Also beschließe ich, zum botanischen Garten in Kirstenbosch zu fahren und dort in der Sonne zu schmoren und zu lesen. Dummerweise gibt es aber statt Sonne nur Wolken und gelegentliche Schauer. Also fahre ich nach einigen Partien Kartenspiel im Bunkhouse zur National Galerie in die Innenstadt. Dort findet sich zeitgenössische Kunst von afrikansichen und internationalen Künstlern. Zur Zeit gastiert hier eine große Chagall Ausstellung. Die Werke der afrikanischen Künstler haben vor allem die Apartheit, und die sozialen Probleme der Gegenwart wie das Leben in den Townships oder Gewalt und Kriminalität zum Thema. Anschließend schaue ich mich, vorm Regen geschützt, in der Waterfront nach Weihnachtsgeschenken um. Über den Ausgang dieses Einkaufsbummels wird hier natürlich noch nichts verraten.


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