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Woche 8: 21. - 27. November 2000

... fällt aus!

Am Montag wollten wir eigentlich zu einer Show von Pieter Dirk Uys, einem Kabarettisten aus Darling, der immer Montags im Theater On Broadway in Kapstadt auftritt. Zumindest fast jeden Montag. Diesen Montag jedenfalls, so sagt man uns, fällt die Show wegen einer geschlossenen Gesellschaft aus. Na klasse, und nächste Woche ist die Show weitgehend auf Afrikaans. Da müssen wir uns wohl noch ein wenig gedulden.

Am Donnerstag ergeht es uns nicht besser. Wir wollen zu einem Konzert des Symphony Orchestra in die Old Town Hall. Leider ist der Eingang zu und es sind auch weit und breit keine Menschen zu sehen. Eine Passantin sagt uns noch, daß wir uns hier besser nicht aufhalten sollten und daß an der Waterfront ein Konzert stattfinden würde. Na gut, fahren wir also dahin. Auch Fehlanzeige. Bleibt also nur der nächste Pub, in dem wenigstens eine Jazz-Band spielt. Später erfahren wir, daß alle Konzerte des Orchesters ab dieser Woche abgesagt sind. Keiner weiß so recht warum. Für die nächste Woche wird eigenartigerweise noch überall für Carmina Burana plakatiert.

Freitag Abend gehe ich mit Verena in einen neu eröffneten Pub in Greenpoint, ins "News-Café". Der ganze Laden ist in einem blauen Licht gehalten und an den Wänden hängen Fernseher, auf denen CNN läuft. Nur verstehen kann man nichts, da hier ein Höllenlärm ist. Es ist brechend voll, aber zum Glück treffen wir Andy mit ein paar Freunden, die noch Platz an ihrem Tisch haben. Werden wir wohl doch wieder englisch sprechen müssen. Manchmal ist es doch ganz entspannend, wenn man einfach mal ein bißchen Deutsch quatschen kann. Und bei dem Lärm versteht man eh nur die Hälfte.

Samstag unternehmen wir einen weiteren Anlauf, etwas von Kapstadts Kulturprogramm mitzubekommen. Laut Veranstaltungskalender findet heute und morgen im Good Hope Center das Old Mutual/Telkom Choir Festival mit den besten Chören aus Südafrika, Lesotho und Swaziland statt. Na denkste, statt dessen landen wir auf einer Karriere-Börse für Irland. Wenigstens ergattere ich eine Gratisausgabe des Saturday Argus. Jetzt wollen wir es aber wissen und gehen zur Touri-Info. Da ist man erst mal ahnungslos. Nach einigen Telefongesprächen kann man uns dann aber sagen, daß das Choir Festival nächste Woche stattfindet. Ab Montag seien Karten zu haben. Na super. Vorher waren wir übrigens noch im Gardens Center, einem kleinen Einkaufszentrum im Stadtteil Gardens, in dem sehr viele Deutsche leben. Daher gibt es hier auch ein Geschäft, in dem man all die Lebensmittel bekommen kann, die man schon seit Wochen vermißt (oder auch nicht): Erbsensuppe, Rotkohl, Weißwürste, Apfelmus, Sauerkraut, Nutella, Spätzle, und Mayonnaise von Ja!. Jetzt vor Weihnachten gibt es natürlich auch Marzipanbrot, Dominosteine, Lebkuchen usw. Alles deutsche Marken und sauteuer, versteht sich. Wem jetzt das Wasser im Mund zusammenläuft, der kann sich natürlich auch sofort eine Currywurst-Pommes-Majo oder Bockwurst mit Kartoffelsalat usw. bestellen. Sogar deutsches Bier ist im Ausschank, leider aber nicht zum Verkauf außer Haus, weil das ja in Südafrika den Liquor Shops vorbehalten ist. Hauptsprache ist hier natürlich Deutsch und meine Currywurst bestelle ich bei einer ca. 30-jährigen Farbigen namens Adelheid. Leider ist das Curry wohl das einzige, was nicht aus Deutschland stammt - es ist schaaaarf!

Abends geht's mit Andy, Bridget, Johann und Keith zu einer Gat-Party im nördlichen Vorort Milnerton. Außerdem kommt noch Tracy, eine Freundin von Andy, dazu. Eine Gat-Party zeichnet sich dadurch aus, dass eine Turnhalle mit Tischen und Stühlen bestückt wird, jeder Essen und Getränke in Kühltaschen anschleppt und R15 Eintritt zahlt und ganz furchtbare Musik gespielt wird. Ca. die Hälfte der Gäste ist schwul bzw. lesbisch, was mich in dieser spießigen Afrikaander-Vorort-Atmosphäre doch etwas überrascht. Als Tracy eigentlich gerade gehen will, entdeckt sie noch eine private Bar des Cricket-Club im Obergeschoß, was zur Folge hatte, daß wir dann doch noch bis 4 Uhr morgens durchhalten und damit die letzten sind.

Am Sonntag findet im District Six die Signing-Ceremony zur offiziellen Übergabe des Landes an die ehemaligen Einwohner statt. Da ich mich um 14:00 Uhr noch nicht wirklich fahrtüchtig fühle und wir auch eine verschärfte Parkplatz-Situation erwarten, fahren Andy und ich auf seinem Motorrad dorthin. Ich sitze zum ersten Mal auf so einer Maschine und weiß nicht so recht, ob ich das nun toll oder furchtbar finden soll. Am Veranstaltungsort vor der Moravian Church ist tatsächlich ganz schön was los. Ein älterer Mann wird gerade von einem Fernsehteam von AP gefilmt, während er sein Album mit alten Fotos des District Six präsentiert. Kaum ist die Kamera verschwunden läßt sich Andy das Album geben und binnen Sekunden sind wir von einer riesigen Menschentraube umgeben und einige Männer erklären und eifrig, welche Straßen und Häuser wir gerade auf den Fotos sehen und wo sie früher gelebt haben. Einige Tausend Menschen sind zu diesem historischen Ereignis gekommen. Viele haben sich seit der Räumung des Viertels nicht mehr gesehen und fallen sich hier weinend und lachend in die Arme. Da eine stattliche Anzahl prominenter Redner auf die Bühne treten wird, kommt man nur durch eine Sicherheitsschleuse und einen Metalldetektor auf das Gelände. Allerdings werden Taschen, die den Metalldetektor zum Piepen bringen einfach außen herum gereicht und nicht weiter untersucht. Hauptsache es piept nicht. Sicherheit auf südafrikanisch. Außer den Mitarbeitern der Presse, sind wir fast die einzigen Weißen. Auf dem Gelände kommen wir mit zwei ehemaligen Bewohnern des District Six ins Gespräch, die auch in der Bewegung "Hands Off District Six" aktiv sind, die seit der Räumung und verstärkt seit Ende der Apartheid politisch dafür gekämpft hat, daß hier seit dem Abriß nichts ohne Zusammenarbeit mit den ehemaligen Bewohnern geschieht. Es ist erstaunlich, wie stark der Geist des District Six hier auch dreißig Jahre nach dessen Räumung noch zu spüren ist. Nun ist man dem Ziel einen großen Schritt näher gekommen. Ca. 1700 Menschen, die einen Anspruch angemeldet hatten, erhalten entweder eine finanzielle Entschädigung oder ein Stück Land. Das Konzept für einen Wiederaufbau soll nun in Absprache mit den neuen Eigentümern erstellt werden. Der District Six war immer ein besonderes Symbol für die Politik der Apartheid und insbesondere des Group Areas Act, nach dem ethnische Gruppen nur in den ihnen zugewiesenen Gebieten und streng voneinander getrennt leben durften. Dementsprechend hochrangig ist heute auch die Liste der Redner (vielleicht aber auch weil gerade Wahlkampf für die Lokalwahlen ist und der ANC im Western Cape nicht besonders gut dasteht). So stehen hier Kapstadts Bürgermeisterin, mehrere Minister und Präsident Thabo Mbeki hinterm Mikrofon. Die eigentlichen Stars sind jedoch die Führer des District Six Beneficiary Trust und die ehemaligen Bewohner, bei der Unterzeichnung repräsentiert durch die älteste überlebende Einwohnerin Fatima Banting (85) und den ältesten überlebenden Einwohner Ismail Bessier (100!).

Leider muß die Bürgermeisterin die Veranstaltung gleich nach ihrer Rede wegen anderer weniger erfreulicher Ereignisse verlassen. In mehreren Bränden in Squatter Camps sind ca. 6 Menschen ums Leben gekommen. Im größten Feuer, in einem Informal Settlement im Township Langa, sind 1000 Hütten abgebrannt und 4000-6000 Menschen obdachlos geworden. Ihnen, die sowieso kaum was hatten, bleibt nun nichts, außer ein paar verkohlten Brettern und verformten Eisenteilen, mit denen sie sogleich wieder beginnen, sich provisorische Unterkünfte zu errichten. Auslöser des Feuers in Langa war wohl ein Paraffin-Ofen. Da die Holzhütten dicht aneinander gebaut sind und ein kräftiger Wind wehte hat sich das Feuer in kürzester Zeit seinen Weg gebahnt. Für Rettungsfahrzeuge war dagegen kein Durchkommen. Es war nicht das letzte Feuer in diesem Sommer.