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Woche 10: 04.-10. Dezember 2000

Südafrika hat gewählt

Dienstag ist Feiertag. Lokalwahlen in Südafrika. Uns Besucher freut das natürlich besonders. Für freie Tage gibt es hier immer Verwendung. Verena und ich beschließen, an die Westküste zum "West Coast National Park", ca. 120 km nördlich von Kapstadt zu fahren. Da die Wahllokale schon um 07:00h morgens öffnen, schaffen es Errol und Pauline, früh wählen zu gehen und dann noch mitzufahren. Steven fährt auch mit, geht aber vorher nicht wählen.

Auf der Fahrt passieren wir das Township Langa, in dem vor gut einer Woche ein Feuer über 1000 Shacks niedergebrannt und mehrere 1000 Menschen obdachlos gemacht hat. Es ist erstaunlich, wie klein die Fläche klein die Fläche eigentlich ist, wenn man bedenkt wie viele Menschen hier gelebt haben. Am Rande des Geländes entstehen schon wieder die ersten Low-Cost Häuser. Einige Kilometer weiter kommen wir an einer weiteren Low-Cost-Housing Siedlung vorbei. In Reih und Glied stehen dort hunderte identischer weißer 20qm Würfel, die sich nur durch ihre bunten Wellblech-Dächer unterscheiden - Smartie-Town heißt diese Siedlung im Volksmund. Das letzte "Highlight" auf der Fahrt ist Südafrikas einziges Atomkraftwerk, ansonsten führt die Reise durch die karge, monotone Landschaft des Westkaps. Irgendwann zweigt eine unscheinbare Straße von der R27 ab und wir sind da.

Errol versucht dann am Eingangstor gleich wieder, die Pfadfinderkarte auszuspielen und den Wärter zu überzeugen, daß Pfadfinder hier nie Eintritt zahlen müßten. Tatsächlich war Errol noch nie hier. Der Wärter weiß auch nichts von einer solchen Regelung, ist aber bereit uns trotz Sommerferien zum Nebensaison-Preis einzulassen. Ersparnis: 50% bzw. R40 (DM 12).

Kurz nach dem Eingang führt eine Schotterpiste von der Hauptstraße des Parks zu einem Wasserloch. Auf dem Weg dorthin begegnen wir einem Strauss, der mitten auf der Straße steht und wohl nicht so recht weiß, was er jetzt machen soll. Erst, als auch aus der anderen Richtung ein Auto kommt, beschließt er, sich in die Sträucher zu schlagen und sich eiligen Schrittes davonzumachen. Das Wasserloch ist von Vögeln dicht belagert. Kaum nähern wir uns vorsichtig, beschließen jedoch auch sie, sich davon zu machen - allerdings nicht in die Sträucher sondern in die Luft. Bekannt ist der Park unter anderem für seine Frühlingsblumen und seine Vögel. Nur ist leider gerade nicht Frühling und die Vögel sind heute auch nicht sehr zutraulich. Bleiben uns noch die Lagune und die Atlantikküste.

Die Lagune wird durch eine lange, schmale Landzunge vom tosenden Atlantischen Ozean getrennt. Hier gibt es einen schönen Sandstrand, der uns zur Lunch-Zeit gerade recht kommt. Dabei können wir wunderbar beobachten, wie eine Wind-Surferin ihre ersten Erfahrungen macht - leider keine besonders guten. Das Wasser ist salzfrei uns schön warm, zum schwimmen allerdings etwas zu flach. Ein weiterer Wasserportler will sich mit dem gewöhnlichen Windsurfen nicht zufrieden geben. Statt dessen hängt er sich an einen Gleitschirm und versucht dann, seine Füße auf ein Surfbrett zu stellen. Die ersten 800 Versuche gehen leider in die Hose, bzw. ins Wasser. Der Wind ist zu stark und läßt den armen Mann immer wieder ohne Brett davonfliegen. Irgendwann gelingt es ihm dann aber doch und er rast mit einem Affenzahn über die Wasseroberfläche - bis dann plötzlich der Wind nachläßt. Während unser Wassersportler nun den ganzen weiten Weg mit Schirm und Brett zurück schwimmt, machen wir uns auf den Weg zur anderen Seite der Landzunge.

Im Gegensatz zur Lagune ist das Wasser des Atlantiks wegen des von der Antarktis kommenden Benguela Stroms eiskalt. Es schmerzt schon fast an den Füßen, wenn mal eine Welle zu weit den Strand hochschwappt. Auf der Suche nach Pinguinen klettern wir noch über einige Felsen und einen schmalen Landstreifen auf eine Insel. Hier finden wir aber anstatt der Pinguine nur zwei tote, halb verweste Robben. Uhhh, das ist vielleicht ein Gestank!

Nach einem kurzen Zwischenstop im Info-Zentrum des Parks, das übrigens auch preiswerte Gruppenunterkünfte und Konferenzräume anbietet, verlassen wir den Park und fahren weiter nach Langebaan, einem ehemaligen Fischer- und heute vor allem Ferienwohnungs-Städtchen. Auf einem Areal, das mindestens doppelt so groß ist wie das alte Langebaan, stehen hunderte luxuriösester Ferienhäuschen. Ein interessanter Kontrast zu den Bildern von Langa. An der Verkehrsführung muß aber noch gearbeitet werden. Immer wieder passieren wir die gleichen Häuser und es will uns einfach nicht gelingen, diese Siedlung wieder zu verlassen. Komisch nur, daß wir offenbar die einzigen Touris sind, die hier rumgeistern. Muß wohl doch an uns liegen. Da wir irgendwie doch wieder auf die Hauptstraße gelangen, aber den eigentlichen Ortskern verpaßt haben, fahren wir spaßeshalber weiter zum Club Mykonos, einem großen Holiday-Ressort in griechischem Baustil mit einem angeschlossenen Casino. Das Casino ähnelt dem in Caledon verblüffend: Hunderte gelangweilter Gesichter vor lärmenden Spielautomaten. Errol und Steven lassen sich auch noch tatsächlich eine Mitgliedskarte ausstellen und Steven verschleudert auch noch gleich ein bißchen Geld an so einer Maschine. Jetzt reichts aber - bloß raus hier.

Wieder in Langebaan suchen wir vergeblich einen von den angeblich so zahlreichen Fish-Take-Aways, finden aber statt dessen nur einige teuere Restaurants. Also fahren wir wieder zurück nach Kapstadt und essen was bei "Something Fishy", einer Fast-Food- bzw. Fast-Fish-Kette. Sollte man sich merken - gute, große, preiswerte Portionen.

Mittwoch braucht man den Menschen nur auf die Hände zu schauen, um festzustellen, ob sie auch ihr demokratisches Recht genutzt haben und zur Wahl gegangen sind. Jeder, der seine Stimme abgeben hat, bekam eine schwarze Markierung auf den Daumennagel verpaßt, um sicherzustellen, daß er nicht noch eine weitere abgeben kann. Ungefähr jeder zweite Wahlberechtigte sieht jetzt für mehrere Wochen so aus, als hätte er sich die Hände nicht richtig gewaschen - die Wahlbeteiligung lag nur bei ca. schlappen 50% und die Farbe ist verdammt hartnäckig. Die Auszählung geht dann doch etwas schneller voran als in den USA. Die Democratic Alliance (aus einer Fusion der DP und NNP enstanden) legt kräftig zu und erzielt in Kapstadt sogar die Mehrheit, landesweit bleibt der ANC natürlich die stärkste Partei. Die Negativbilanz: 5 Tote nach einer Schießerei, eine alte Frau, die nach 5 Stunden Schlangestehen tot zusammengebrochen ist, zahlreiche weitere Zusammenstöße und Unregelmäßigkeiten. In einer Stadt ist sogar ein Toter gewählt worden. Er war wenige Tage zuvor ermordet, sein Name aber nicht von den Wahlzetteln gestrichen worden. Und noch eine Anekdote am Rande: Eine Frau weigerte sich, ihren Nagellack zu entfernen, damit die Markierung am Daumen angebracht werden konnte. Ihr Argument: Sie trage immer Nagellack und dies sei Teil ihrer Persönlichkeit als Wählerin, wie es auch der Bart eines Mannes sei. Sie bekam Recht.

Am Donnerstag bekomme ich Post. Ein Päckchen aus Deutschland von meinen Eltern mit Marzipankartoffeln, Dominosteinen, Plätzchen und allem was man so braucht, um im Hochsommer in Südafrika ein bißchen Weihnachtsstimmung aufkommen zu lassen.

Am Wochenende soll es in die Cedarbergs gehen. Da wir am frühen Freitag Abend fahren wollen, frage ich im Büro, ob ich etwas eher gehen könnte. Da bietet mir die Chefin doch gleich an, einfach den ganzen Tag zu Hause zu bleiben. Da sag ich nicht nein, ich hab sowieso nichts zu tun. Den Freitag vormittag verbringe ich dann damit, lange zu schlafen und diese Website mit einigen neuen Fotos auszustatten.

Um 18:00h bin ich dann mit Verena in Rondebosch, von wo aus wir mit Ian in seinem Wagen weiterfahren. Die Cedarbergs Wilderness Area ist ein ca. 71.000 ha großes Nature-Reserve, ca. 250 Km nördlich von Kapstadt. Die Täler sind durchzogen von zahlreichen Farmen, die Obst und Rooibos Tea anbauen. Die Berge sind vor allem für ihre Jahrmillionen alten ungewöhnlichen Felsformationen und zahlreiche San-Rock-Paintings berühmt. Zur Zeit findet hier ein Senior-Scout-Adventure der Südafrikanischen Pfadfinder statt. Über 400 Scouts hiken in Gruppen von 10 Personen für 12 Tage durch die Berge und nehmen an verschiedenen Aktivitäten teil.

Wir haben uns für das Wochenende eine kleine Hütte auf einem Campingplatz einer privaten Farm gemietet. In der Dunkelheit haben wir allerdings leichte Schwierigkeiten, diesen zu finden und müssen leider den Farmer aus dem Bett klingeln. Der Campingplatz ist fast leer und wir haben einen Swimmingpool in Form eines gestauten Flusses direkt vor unserer Hütte.

Unser Ziel für Samstag heißt Wolfberg Arch. Ungefähr vier Stunden hiken wir auf den Berg hoch. Den Höhepunkt der Kletterei bilden die sogenannten Wolfberg-Cracks. Eine ca. 30m hohe Steilwand ist hier von mehreren Rissen durchzogen, durch die man weiter hoch gelangen kann. Der Crack, den wir auswählen ist zum Teil gerade mal 2m eng und zahlreich Felsen versperren den Weg. Es wird einiges an Kletterei verlangt. Wer nicht weiß, daß es hier ein Durchkommen gibt, käme wohl nie auf den Gedanken, diesen Weg zu wählen. Nach den Cracks dauert es noch etwa eine Stunde bis zum Ziel, dem Wolfberg Arch. Eine ca. 30m hohe Felsformation, die den Berg krönt und in die das Meer in Millionen von Jahren ein riesiges Loch gewaschen hat, so daß sie jetzt aussieht, wie ein gigantischer Torbogen.

Um 18:30 sind wir wieder am Auto, das zum Glück im Schatten gestanden hat. Es war nämlich ganz schön heiß. Das Programm für den Abend: Eine Dose Bier, Baden im Fluß, noch ne Dose Bier, Grillen, Essen, Wein, Schlafen.

Sonntag hatten wir eigentlich vor, einige der Pfadfinder-Aktivitäten zu besuchen, beschließen dann aber spontan, doch noch zu einem weiteren Highlight der Cedarbergs zu hiken, zum Maltese Cross. Auf dieser Strecke gibt es wesentlich weniger Schatten als gestern, dafür weht aber eine leichte Brise und die Strecke ist auch wesentlich kürzer. Ca. 2 Stunden benötigen wir für den Aufstieg. Wir sind mal wieder spät dran und zahlreiche Hiker kommen uns schon wieder entgegen. Einer meint, an einer Stelle, es seien noch etwa 1,5 Stunden bis zum Ziel. 30 Minuten später sind wir da. Maltese Cross ist ein etwa 3 Meter breiter Fels, der über 25 Meter in die Höhe ragt und oben breiter wird. Sehr beeindruckend. Den Versuch hinaufzuklettern geben wir schnell wieder auf. Statt dessen machen wir am Fuße des Felsen unsere Lunch-Pause. Der Rückweg ist in der Rekordzeit von einer Stunde bewältigt. Erschöpft machen wir uns auf den Rückweg nach Kapstadt. Ich bin froh, daß ich nicht fahren muß, zum einen, weil ich tierisch erschöpft bin, zum anderen, weil die Schotterpisten dem Wagen ganz schön zusetzen.

Unterwegs machen wir noch Halt an einem der zahlreichen Farmstores, die sich am Rande der N7 finden. Hier gibt es frisches Obst, getrocknetes Obst, eingemachtes Gemüse, selbstgebackenes Brot, Rooibos Tea und vor allem Magnum und eiskalte Coke.

Zurück im Backpackers versuche ich noch, im Fernsehen "The Matrix" auf Englisch zu verfolgen, muß dieses Unterfangen aber nach einer halben Stunde aufgeben. Ich falle tot ins Bett und schlafe bis zur nächsten Woche ...