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Woche 11: 11.-17. Dezember 2000

Xhosa Gesänge und Weihnachtslieder

Donnerstag Nachmittag nehme ich mir frei um mit Andy eine Schule im Township Khayelitsha anzusehen. Andy baut zusammen mit seinem Schwager aus den USA, der heute Abend nach Kapstadt kommt, ein Projekt auf, mit dem Schulen in sogenannten unterpriveligierten Gebieten, also Townships und ländlichen Regionen, mit Hilfe von Funktechnik kostengünstig mit dem Internet verbunden werden sollen. Die Schule besitzt etwa 25 Computer mit 486er Prozessoren, die von einer Stiftung in den USA gesponsort worden sind. Allein die Hälfte der Investition ist in die Sicherung des Computerraumes investiert worden. Statt einer Tür gibt es gleich drei. Nach einer Stahlgittertür folgt eine massive Holztür, hinter der sich dann noch eine Stahlgittertür verbirgt. Auch sämtliche Fenster sind vergittert. Auf dem Dach über dem Computerraum finden sich elektrisch geladene Drähte, die mit einer Alarmanlage verbunden sind. Leider sind schon Ferien, so daß weder Schüler noch Lehrer sondern nur noch der Hausmeister dort sind. Inhalt der letzten Unterrichtsstunde waren offenbar die Tastaturkurzbefehle für Word, wie wir der Tafelaufschrift noch entnehmen können.

Da wir schon um 15:00 Uhr wieder zurück sind, habe ich endlich mal Zeit, an den Strand zu gehen. Ich fahre mit Keith nach Llandudno einen wunderschönen Sandstrand an der Atlantikküste zwischen Camps Bay und Hout Bay, am Fusse der Gebirgskette der 12 Apostel. Leider kommt mit uns auch der Wind an und es ist kaum auszuhalten. Innerhalb weniger Minuten ist man völlig von Sand bedeckt. Zum Schwimmen ist das Wasser des Atlantiks eh zu kalt. Also kehren wir recht bald zurück und ich versuche, mich im Pool des Backpackers vom Sand zu befreien.

Am Freitag veranstalten Verena, ihr Freund, der am Mittwoch angekommen ist, und ich einen Deutschen Abend für die Dauerbewohner im Bunkhouse. Es gibt Kartoffelpuffer mit Apfelmus, deutsches Brot mit Käse und Schinken, Gurkensalat und noch etwas rohes Gemüse. Als Krönung präsentieren wir dann noch deutsches Bier: Münchener Hofbräu (unter Lizenz gebraut von SAB in Johannesburg). Das Essen kommt ziemlich gut an, auch wenn am Anfang ein wenig Irritation darüber herrscht, daß es gar kein richtiges Fleisch gibt. Ausgerechnet heute herrscht auf dem Balkon auch noch Hochbetrieb. Außer der Stammbesetzung sind auch noch ein Sohn von Bridget, Andy's Schwager, eine Freundin von Peter, Davids Geschäftspartnerin Valerie und eine Freundin von ihr da. Obwohl alle gut zulangen, ist zum Glück genug zu Essen da. Bridget erzählt mir noch Tage später, daß sie sonst nie einen Nachschlag nehme, aber den Kartoffelpuffern einfach nicht widerstehen konnte.

Samstag bin ich zu der Home-Comming-Party von Viviennes Sohn Sydney eingeladen. Vievienne ist eine Arbeitskollegin von Errol, die im Township Gugulethu wohnt. Sydney ist nach drei Wochen aus der Initiationsschule im "Bush" nach Hause zurückgekehrt und ist jetzt nach der Tradition der Xhosa ein Mann. Die Party war einfach phänomenal. Sie hat am Freitag begonnen und geht bis Sonntag weiter. Errol, ein anderer farbiger Pfadfinderleiter und ich sind die einzigen Nicht-Schwarzen bei dieser sehr traditionellen Feier. In der Lounge von Viviennes Haus sind die Frauen und Kinder, z.T. in traditionellen Kleidern und mit bemalten Gesichtern, und singen und tanzen um einen Stapel Bierkisten (!) herum. Die Männer sitzen im Hinterhof und trinken Bier (Castle Lager und Combutu, das traditionelle afrikanische Bier) und Brandy.

Sydney sitzt derweil in einem kleinen leeren Raum auf einer Strohmatte. Er ist am Freitag abend heimgekommen, nachdem er seine Hütte im "Bush" abgebrannt hat und dann nicht mehr zurückblicken durfte. Während er im "Bush" war, war sein Körper mit weißer Farbe bemalt. Jetzt ist er mit einer roten Salbe bemalt, die die weiße Farbe aus der Haut ziehen soll. Erst am Sonntag darf er diesen Raum verlassen und muß seine Kleidung und die Farbe dann noch eine Woche tragen. Leider darf Sydney nicht darüber sprechen, was in den drei Wochen im Busch vorgegangen ist, man muß die Erfahrung selbst machen. Er meint aber, er würde gerne wieder zurückgehen, die letzen beiden Wochen seien sehr schön gewesen. In diesen Raum dürfen nur "Männer" kommen, die älter sind als er selbst. Er darf niemandem die Hand geben und benutzt statt dessen einen Stock als verlängerten Arm. Höflichkeitshalber trinken wir aus einem Metalleimer einen Schluck Combutu, wozu wir uns auf den Boden knien müssen. Es schmeckt furchtbar sauer und ist recht dickflüssig. Ich sehne mich nach einem kalten Bitburger zum Nachspülen.

Einer der Alten muß um Erlaubnis zum Fotografieren gefragt werden. Nachdem die einmal erteilt ist, möchte jeder von mir in wichtigen Posen fotografiert werden und ich werde ständig zwischen den drei Hauptschauplätzen hin und her gezerrt. Das Haus wird immer voller, Menschen kommen singend die Strasse entlang und bringen Geschenke. Jeder Neuankömmling wird mit lautem Trällern und Pfeifen begrüßt. Sydney darf nun als "Mann" weder Kleidung noch Bett aus seiner "Kindheit" benutzen. Daher bekommt er vor allem Kleidung und auch ein neues Bett und einen Schrank geschenkt. Fast jeder bringt auch eine Kiste Bier oder eine Flasche Brandy mit. Da natürlich nicht jeder soviel trinkt wie er mitbringt, werden auch in den nächsten Tagen immer wieder Leute reinschauen, wenn sie Durst haben und dann etwas zu trinken bekommen.

Einige Frauen bereiten in riesigen Töpfen das Essen zu. Es ist nicht so furchtbar, wie Errol angekündigt hatte, sondern schmeckte eigentlich recht gut. Es gabt Lamm, Kartoffeln, Reis, Erbsen, Bohnen und Möhren. Wir bekommen jeder einen Teller mit reichlich Fleisch und dürfen mit Sydney in seinem Raum essen. Für die Männer im Hinterhof wird eine große Tonne mit Essen gefüllt und mit Maisbrei vermischt. Haut und Fell des frisch geschlachteten Lamms habe ich zum Glück erst nach dem Essen in einer Ecke liegen sehen.

Einige der Männer sind doch etwas verwundert über den ungewöhnlichen hellhäutigen Besuch. Einer der älteren erklärt ihnen daher, wer wir sind und warum wir hier sind. Er sagt, das viele Weiße immer noch glauben, daß die Schwarzen wie Tiere sind und es daher wichtig sei, daß die Weißen an der Kultur der Schwarzen teilhaben und lernen, daß sie auch Menschen sind. Dafür erntet er zustimmendes Murmeln und ich zahlreiche hochgestreckte Daumen. Von allen Seiten bekomme ich Bier und Brandy angeboten. Dummerweise bin ich mit dem Auto. Es gilt allerdings als Beleidigung, ein angebotenes Getränk abzulehnen. Statt dessen muß man es annehmen und seinerseits jemand anderem anbieten. Ich frage mich, was man macht, wenn man nur zu zweit ist.

Leider haben wir nicht die gleiche Ausdauer wie die anderen Gäste und verschwinden am frühen Abend wieder. Auf dem Rückweg sehen wir dann noch die Hütten im "Bush", wobei der "Bush" eine brachliegende Wiese zwischen Gugulethu und Michells Plain ist.

Am Sonntag Abend gehe ich mit Ian, Carol und Debbie in den Kirstenbosch Botanical Garden zu den alljährlichen "Carols by Candlelight". Über 13.000 Menschen sitzen mit Kerzen auf einer Wiese vor einer Bühne am Fuße des Tafelberges und singen zu einem Krippenspiel Weihnachtslieder. Nun gut, das Singen war nun nicht gerade mein Ding, aber die Atmosphäre war einfach genial. Der Andrang war so groß, daß sogar einige Tausend Besucher auf einer anderen Wiese hinter der Bühne Platz nehmen mußten. Glücklicherweise war Ian schon recht früh da und hat uns einen recht guten Platz gesichtert. Wie das bei den Südafrikanern so üblich ist, wurden massenweise Kühlboxen mit Picknickzeugs angeschleppt. Witzigerweise hat fast jeder fast die gleiche Kühlbox, ähnlich der, die wir letztes Jahr auch auf unserer Tour dabei hatten. Die deutschen Weihnachtsleckereien, die meine Eltern mir geschickt hatten sind natürlich die Attraktion schlechthin.

Voraussichtlich wird dies wohl für eine Weile der letzte Wochenbericht gewesen sein, da ich zu Weihnachten Besuch aus Deutschland bekomme und wir einige Wochen durchs Land reisen werden. Sofern wir die Gelegenheit haben, werden wir aber von Unterwegs im Gästebuch über unsere Tour berichten. Also schaut bei Gelegenheit einfach mal dort rein. Hier geht es dann so gegen Ende Januar weiter.

Bis dahin schöne Weihnachten, einen guten Rutsch, Hamba Kahle und natürlich vielen Dank für euren Besuch auf meiner Website!