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Woche 17: 22. - 28. Januar 2001

Arm und Reich

Kleiner Tip zum Lunch in der City: In der ersten Etage des Pan-African Market in der Long Street gibt es ein Café mit preiswerter afrikanischer Küche. Vom schattigen Balkon aus kann man in aller Ruhe das Treiben der Parkwächter und der Passanten auf der Longstreet beobachten. Montag war ich dort mit Andre und Verena.

Nachmittags erhalte ich dann einen Anruf von der Autowerkstatt. Ich kann mein Auto abholen. Die Rechnung ist allerdings gepfeffert. Hoffentlich erziele ich Ende März wenigstens einen guten Wiederverkaufserlös. Immerhin kann ich jetzt wieder die Fahrertür schließen und vernünftig blinken.

Am Donnerstag besuche ich die Scouts von 1st Claremont zu ihrer ersten Gruppenstunde im neuen Jahr. Auf dem Programm steht heute Minigolf. Das Besondere daran: Die Golfbahnen müssen im nahegelegenen Park erst mal selber ausgedacht und gebaut werden. Die drei Patrols erstellen innerhalb einer halben Stunde mit Hilfe von Holzlatten, Teppichfliesen und sonstigem Kram aus der Scouthall jeweils zwei recht fantasievolle aber nicht ganz einfache "Bahnen". Eine Gruppe bezieht auch den angrenzenden Fluß mit ein. Der Ball muß durch eine von zwei mit Teppichfliesen verdeckten Röhren. Eine davon führt in eine Schlüssel, die andere leider in den Fluß.

Freitag genießen wir mit einigen Leuten den Sonnenuntergang von Bakoven Beach aus. Der kleine Strand liegt hinter Camps Bay, ziemlich versteckt hinter einigen teuren Ferienhäusern, von denen man durch die Tür praktisch direkt auf den Strand tritt. Einige riesige Felsen laden zu einem Picknick ein. Wir kommen gerade noch rechtzeitig, um zu beobachten, wie die Sonne das Meer und den Strand in ein tolles Licht taucht, bevor sie im Wasser untergeht. Mit der Sonne geht leider nicht der Wind, der heute besonders aggressiv weht. Er bläst mir doch glatt den Reissalat von der Gabel, bevor ich sie zum Mund führen kann. Auch mein mit Rotwein gefüllter Becher kann nicht mehr frei stehen und hinterläßt einen großen roten Fleck auf dem Fels. Wir harren noch eine Weile aus und fahren dann noch auf einen Drink nach Camps Bay.

Für Samstag sind Verena und ich mit Mareike und Marnix verabredet, zwei Holländern, die mit ihrer 2,5 jährigen Tocher Naomi seit 8 Monaten in Kapstadt leben und für ihr Studium irgendwelche Forschungen in den Townships durchführen. Nachdem sie zunächst in Green Point wohnten, sind sie für die letzten 2 Monate zu einer Familie in ein Haus in Khayelitsha gezogen. Kayelitsha ("Unser neues Haus"), Mitte der 80er gegründet, ist heute das größte Township Kapstadts. Wie viele Menschen hier genau leben, weiß niemand. Jeden Monat ziehen tausende Xhosa aus dem Eastern Cape zu und errichten am Rande des Townships ihre Shacks (aus Holzresten, Pappe und Wellblech zusammengezimmerte Hütten). Im Kern Khayelitshas wohnen Familien in kleinen, einfachen Häusern mit zwei Räumen, die sie im Laufe der Jahre erweitert und etwas verschönert haben. Für die später errichteten Abschnitte des Townships stand dann immer weniger Geld zur Verfuegung und die Haüser wurden noch kleiner und einfacher. Daran schließen sich dann riesige Shack-Siedlungen an, die zum großen Teil weder Strom noch fließendes Wasser haben. Viele Bewohner zweigen sich den Strom jedoch illegal von entfernten Straßenlaternen ab und so findet man auf und über vielen Straßen ganze Netze von Stromkabeln.

Am Rande Khayelitshas wird zur Zeit ein großer Aussichtspunkt errichtet, von dem wohl bald Touristen auf das Township blicken und in Cafes und Souvenierläden etwas Geld lassen sollen. Das Projekt könnte sich allerdings dadurch verzögern, dass viele Bewohner glauben, das hier verbaute Holz sei in ihren Shacks besser eingesetzt, und es kurzer Hand wieder demontieren.

Der Sohn, der Frau, bei der die Holländer wohnen, arbeitet an einem Obststand am Rande einer Shacksiedlung. Da wir für den Abend eh noch etwas Obst einkaufen wollten, fahren wir also dorthin und unterhalten uns ein wenig mit dem Inhaber. Er klagt, dass er nicht so günstig anbieten könne, wie die großen Supermärkte, da er nur in kleinen Mengen einkauft. Dafür sei die Lage mitten im Township natürlich günstiger. Immerhin leistet er sich drei Mitarbeiter, obwohl selbst einer wohl kaum ausgelastet wäre. Auf dieses Phänomen trifft man immer wieder. An Baustellen arbeiten 2 Männer und 10 stehen drumherum. Im Park pickt einer Müll auf und ein anderer läuft nebenher... Als wir ein Photo von einem anderen kleinen Laden, der etwas abseits der Straße liegt, machen, werden wir gleich hereingewunken. Laute afrikanische Musik dröhnt aus der Hütte und zahlreiche Männer trinken hier das obligatorische Castle Lager Bier. Die aus Pappe und Holz gezimmerte Hütte hat 3 Raume: Einen Schlafraum, einen kleinen Raum, der als Kneipe dient und einen vergitterten Verkaufsschalter. Von innen wirkt die Hütte zwar einfach, aber durchaus bewohnbar. Man hört immer wieder, daß viele dieser Hütten zwar von außen erbärmlich aussehen, innen aber durchaus komfortabel möbliert sind. Als einzige Weiße weit und breit ziehen wir natürlich Aufmerksamkeit und Neugierde auf uns und jeder möchte, das wir ihn fotografieren oder uns seine Hütte ansehen. Von Feindseligkeit keine Spur.

Am Abend dann der krasse Gegensatz. Verena und ich sind bei Theresa und Siggi in Belleville zum Grillen eingeladen. Bellville ist einer der nördlichen Vororte. Während die englischpsrachigen Weißen vor allem in den südlichen Vororten wohnen, leben die meisten afrikaans-sprachigen Weißen in den nördlichen Vororten. Die Grenzen in den Köpfen orientieren sich in diesem Land also nicht nur an der Hautfarbe. In Belleville liegt das Geld zwar nicht auf, aber dafuer am Rande der Strasse. Riesige Häuser auf noch viel größeren Grundstücken, schicke Autos und erstaunlicherweise gar keine Zäune oder Gitter. Heile Welt - nur 15 Autominuten von Khayelitstha, Gugulethu, Langa, Nyanga...

Sonntag scheint das perfekte Strandwetter zu sein. Jedenfalls in Sea Point. Keith und ich beschließen, an die False Bay zu fahren, da dort das Wasser wärmer ist und man schwimmen kann. Allerdings liegt die False Bay auf der anderen Seite einer Bergkette, und hier sieht das mit dem Wetter leider etwas anders aus. Es ist bewölkt und sehr windig. Der Strand von Muizenberg ist fast menschenleer. "Egal", denke ich mir. :Jetzt bin ich einmal hier, dann will ich auch ins Meer." Das Wasser ist auch total angenehm. Unangenehm wird es dann erst nach Verlassen des Wassers. Der Wind peitscht einem den Sand um die Haut und an Sonnenbaden ist eh nicht zu denken. Statt dessen spielen wir Minigolf. Für micht das erste Mal seit bestimmt 10 Jahren. Folglich mache ich auch keine besonders gute Figur und verliere haushoch. Weiter geht es nach Simonstown, wo es so eine Art kleine Waterfront gibt, eine Ansammlung von Cafes, Restaurants und Geschäften am Hafen. Ist ganz nett dort und in einem Café gibt es tolle Pfannkuchen.